Österreich: Die seltsame Geschichte hinter dem Foto einer deutschen Hanfplantage, das in die Ibiza-Akten gelangte
2013 entdeckte die Polizei diese Cannabisplantage in Offenburg. Ein Foto von ihr tauchte sechs Jahre später bei Ermittlungen zur österreichischen Ibiza-Affäre wieder auf. (Bild: Polizei Offenburg)
Führt eine Spur zu den Hintermännern des Strache-Videos nach Offenburg? Auch die Badische Zeitung wird in einem Haftbefehl gegen Edis S. genannt, den die Staatsanwaltschaft Wien vergangene Woche erließ. Laut Haftbefehl besteht der Verdacht, dass Edis S. an der Produktion des Strache-Videos beteiligt war. Durch seinen Anwalt streitet S. dies ab.
Tatsächlich ergeben sich aus einem Fotofund keine neuen Erkenntnisse zur Ibiza-Affäre, die im Mai Österreichs Regierung und ihren Vizekanzler Heinz-Christian Strache zu Fall brachte. Stattdessen macht er deutlich, welch absurde Züge die Fahndung nach den Produzenten des Videos angenommen zu haben scheint. Denn in einem sind sich Ermittler und Tatverdächtiger einig: Es gibt keine Verbindung nach Offenburg. Offenbar aber einen Detektiv, der es mit den Quellenangaben zu einem Foto nicht so genau nahm.
In dem erwähnten Video, das im Juli 2017 auf Ibiza entstand, verhandelt der damalige FPÖ-Politiker Strache mit der angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen. Sie sprechen unter anderem über verdeckte Parteispenden. Das Magazin Spiegel und die Süddeutsche Zeitung hatten den Fall öffentlich gemacht. Auch ein vermeintlicher Berater der Frau tritt im Video auf. Bei ihm soll es sich um Julian H. handeln, Geschäftsführer einer Detektei, für die Edis S. tätig war.
Einen direkten Zusammenhang zwischen dem Strache-Video und dem Offenburger Foto gibt es nicht
Das Verhältnis zwischen den beiden Männern ist längst zerrüttet. Und so ermittelte der Detektiv im Sommer gegen seinen Ex-Chef – im Auftrag des Privatiers Gert Schmidt, der das Internetblog EU-Infothek betreibt. Seit Beginn der Ibiza-Affäre sammelt Schmidt Material gegen Julian H. Im August soll Edis S. für ihn zu einer Lagerhalle bei Salzburg gefahren sein. Dort habe er Ausrüstung zum Anbau von Cannabis fotografiert. In dem Artikel von EU-Infothek heißt es, Mieter der Halle sei Julian H. Die Kanzlei, die H. vertritt, ließ eine Anfrage hierzu unbeantwortet.
EU-Infothek veröffentlichte auch mehrere Fotos, die S. seinem Anwalt zufolge gemacht haben will. Sie zeigen angebliche Teile der Ausrüstung sowie handschriftliche Gebrauchsanweisungen. Auf einem der Bilder ist eine ganze Hanfplantage zu sehen. Dass die Aufnahme gar nicht bei Salzburg entstanden ist, steht nirgendwo dabei. Im Haftbefehl heißt es, sie stamme „in Wirklichkeit aus einem Online-Artikel der Badischen Zeitung“. Zuerst hatte die österreichische Zeitung Der Standard hierüber berichtet.
Das Foto der Cannabisplantage auf der Website von EU-Infothek
Tatsächlich hat die BZ dieses Bild am 28. Juni 2013 veröffentlicht. Es wurde der Redaktion von der Polizei zur Verfügung gestellt, die bei einer Razzia in Offenburg nach eigenen Angaben rund 800 Cannabispflanzen beschlagnahmt hatte. Dem für den Fall zuständigen Ermittler sei der Name Julian H. allerdings nicht bekannt, teilt ein Sprecher des Polizeipräsidiums Offenburg mit. Auch die Wiener Staatsanwaltschaft sieht keinen Zusammenhang zwischen dem Foto und H.
Ermittler werten Verwendung des Offenburger Fotos als schweren Betrug
Strafverteidiger Andreas Schweitzer, der Edis S. vertritt, versucht, zu erklären, wie es in den Artikel von EU-Infothek gelangt sei: „Das Bild der Hanfplantage ist ein Symbolfoto.“ Der Detektiv habe seinem Auftraggeber zeigen wollen, wie eine solche Anlage aussehe. Also habe er gegooglet. Wer bei der Suchmaschine nach „Halle“ und „Hanfplantage“ sucht, stößt auf den Artikel der BZ.
Die Ermittler werten das offenbar als schweren Betrug. Schon einmal wurde S. wegen eines solchen Delikts verurteilt. Das belegen Akten des österreichischen Nachrichtendienstes BVT, die der BZ vorliegen. „Es besteht der Verdacht, dass Falschinformationen verkauft worden sind“, sagt Nina Bussek, Sprecherin der Staatsanwaltschaft.
Mindestens 55.000 Euro soll Gert Schmidt im Sommer an Edis S. und einen weiteren Detektiv gezahlt haben, der ebenfalls in Untersuchungshaft sitzt. Das Geld floss angeblich im Zusammenhang mit anderen Aufträgen. Schmidt nimmt Edis S. in Schutz. Bei dem Bild aus Offenburg handele sich um ein großes Missverständnis. „Für mich ist diese Fotogeschichte wirklich nebulös.“